Nachdem wir uns in Teil 1 mit den Grundlagen der Technologie Digital Twin beschäftigt und in Teil 2 das Potential und die Vorteile erörtert haben, möchten wir uns im abschließenden Teil 3 den noch zu lösenden Herausforderungen widmen:
Das Konzept des Digital Twins besteht mindestens seit der theoretischen Formulierung von Dr. Michael W. Grieves im Jahre 2002 und in unserem Beitrag zu den Vorteilen der Technologie haben wir auch bereits einige Anwendungsgebiete und existierende Digital Twin Lösungen vorgestellt. Dennoch ist in nun bald 20 Jahren seit der Formulierung noch keine flächendeckende Verbreitung von Digital Twins eingetreten. Auch wenn die Prognosen für die Zukunft optimistisch sind, dass sich dies mit hoher Wahrscheinlichkeit bald ändern wird, gibt es noch einige Herausforderungen die dafür überwunden werden müssen.
In diesem Beitrag möchten wir die aus unserer Sicht wichtigsten Herausforderungen beschreiben.
Stabile schnelle Netzwerke
Stabile und schnelle Netzwerke sind bei fast allen Technologien der Zukunft eine der Hauptgrundlagen. Ob Smart Home, autonomes Fahren oder Digital Twins, die Anzahl der Connected Devices wird in den nächsten Jahren drastisch zunehmen. Studien rechnen dabei mit einer weltweiten Zunahme um mehr als das Doppelte bis 2025. Für eine flächendeckende und stabile Versorgung aller Zukunftstrends sind derzeitige Netzwerke nicht geschaffen, weswegen der Ausbau von 5G-Netzwerken in vielen Industriestaaten forciert wird. Derzeit brechen noch regelmäßig Mobilfunknetze ein, wenn es zu viele konzentrierte Verbindungen gibt wie bei Großveranstaltungen. In Deutschland sind außerdem, Stand 2018, nur bis zu 75% des Landes mit LTE-Netzen versorgt und in manchen entlegenen Regionen gibt es noch gar keinen Mobilfunkempfang.
Die Anwendungsbereiche von Digital Twin Lösungen sind vielseitig und dementsprechend müssen die Netzwerke über welche die physischen und digitalen Zwillinge miteinander verbunden sind auch unterschiedlichsten Anforderungen gerecht werden. Ein großer Vorteil von Digital Twins sind beispielsweise Informationen über den Echtzeitzustand - dafür wird, je nach Anwendungsfall, auch ein Netz mit niedriger Latenz benötigt, was bei der derzeitigen Netzinfrastruktur nicht immer gegeben ist. Außerdem ist eine stabile Verbindung auch in entlegene Gebiete notwendig. Ein Digital Twin von offshore Windrädern oder Flugzeugturbinen liefert nur dann einen Mehrwert, wenn eine ständige und stabile Verbindung zum physischen Zwilling besteht.
Bis ein solches stabiles und schnelles Netz, das den Anforderungen der Technologie genügt, flächendeckend verfügbar ist, wird also auch die flächendeckende Verbreitung von Digital Twins noch warten müssen. Große Hoffnungen werden in diesem Zusammenhang aber in den Ausbau der 5G-Technologie gesetzt.
Sicherheit
Der Digital Twin existiert, wie es der Name schon signalisiert, digital. Das heißt er besteht in Form von Daten, welche am real existierenden Teil des Twins gesammelt und (meistens) in die Cloud eingespeist werden. Dabei werden je nach Anwendungsbereich auch sehr viele Daten gesammelt, ausgewertet und anschließend Entscheidungen basierend auf den Ergebnissen getroffen. Eine sichere, verschlüsselte Kommunikation ist also ausgesprochen wichtig. Dabei geht es nicht nur um Firmengeheimnisse, sondern auch um Sicherheitsfragen. Unternehmen müssen sich auf die Richtigkeit und Aktualität der Daten verlassen können. Je komplexer der Aufbau eines Digital Twins ist, desto mehr Zugangspunkte gibt es und desto mehr Daten werden gesammelt – dementsprechend gibt es auch mehr potentielle Sicherheitslücken. Deswegen müssen Unternehmen, welche Digital Twin Lösungen implementieren wollen, diese Sicherheitsfragen berücksichtigen und Lösungen für eventuell eintretende Szenarien entwickeln. Für einen flächendeckenden Einsatz von Digital Twin Lösungen müssen also diverse, oftmals aufwendige Sicherheitslösungen gefunden werden, welche gleichzeitig auch in einem sinnvollen Verhältnis zum Ertrag durch den Digital Twin stehen. Dies ist derzeit bei vielen Anwendungsfällen noch nicht gegeben.
Zusammenarbeit notwendig
Nokia schreibt auf seiner Website zur Thematik Digital Twin:
"Yet, no single company can do this alone. Cooperation is vital if Digital Twins are to fulfil their promise."
Nokia bezieht sich in diesem Fall insbesondere auf die Punkte Netzwerkplanung und -optimierung, allerdings stellen sich für viele Unternehmen auch oftmals andere Fragen der Zusammenarbeit. Wenige Unternehmen sind in Zeiten der Globalisierung und Spezialisierung noch verantwortlich für eine komplette Supply Chain. Dementsprechend können Digitalisierungsvorhaben oftmals nicht isoliert von nur einem Unternehmen durchgeführt werden, sondern bedürfen auch der Zusammenarbeit mit Zulieferern und Partnern. Produktteile müssen möglicherweise entlang der gesamten Supply Chain detailliert in 3D angefertigt werden, um einen kompletten Digital Twin zusammenzustellen. Darüber hinaus bedarf es weiterer Daten, um von einer bloßen virtuellen Darstellen zu einer anwendbarer Software zu gelangen, auf welcher aussagekräftige Simulationen durchgeführt werden können. Dies kann einen spürbaren Mehraufwand gerade für kleinere Unternehmen bedeuten. Dazu müssen auch mit Partnern Verträge über Datenfreigabe nach Inbetriebnahme geschlossen werden. Unternehmen benötigen also einen gesamtheitlichen Ansatz, der möglicherweise alle Partnerunternehmen beinhaltet um das Potential von Digital Twins komplett auszuschöpfen. Ein Unterfangen, das dementsprechend oftmals langwierig und arbeitsintensiv sein kann.
Eine Technologie mit Zukunft
Auch wenn es noch einige Herausforderungen zu bewältigen gibt, Digital Twins sind schon heute eine der vielversprechendsten Technologien mit Anwendungsbereichen in nahezu allen Industrien, für alle Produkt- und Dienstleistungstypen, sowie für Prozesse und Organisationen. Unternehmen sollten sich dementsprechend pro-aktiv mit diesem Thema befassen, um für die Zukunft optimal aufgestellt zu sein, denn gerade in Digitalisierungsthemen ist es wichtig, die notwendigen Grundlagen früh genug zu schaffen.